Heidrun Jakobs - 21. Mai 2014
Es war eine schwere Geburt und was lange währt, wird endlich gut! MLP-Consultants sind sozialversicherungspflichtig. Das hat jetzt das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen L 5 KR 5602/11, entschieden und damit eine Entscheidung des Sozialgerichts Mannheim vom 18.11.2011 bestätigt.
Was war passiert? Ein von mir im Zivilverfahren gegen MLP vertretener ehemaliger MLP-Consultant beantragte bei seiner Krankenkasse, den Sozialversicherungsstatus während der Zeit seiner Beschäftigung bei MLP zu überprüfen. Die Krankenkasse kam dabei zu dem Ergebnis, dass der MLP-Consultant sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, da er stark in die Organisation und in den Betrieb bei MLP eingegliedert gewesen ist. Dies hätte sich u.a. daraus ergeben, dass er verpflichtet war, sich bei seiner Tätigkeit der Büroeinrichtung und des Personals der MLP-Geschäftsstelle zu bedienen und diese Regel eklatant einer selbständigen Tätigkeit widerspreche. Auch hätte er seinen Dienst in Person zu leisten gehabt und weder seine eigene Einrichtung noch sein eigenes Personal nutzen dürfen.
Gegen den entsprechenden Bescheid der Krankenkasse legte MLP Widerspruch ein und begründete den Widerspruch mit der üblichen Leier, der MLP Consultant sei selbständiger Handelsvertreter u.s.w. und die Statusfrage sei im Übrigen von den Zivilgerichten zugunsten von MLP entschieden. Die mutige Krankenkasse ließ sich von dem üblichen Geklappere des allseits bekannten Rechtsanwalts S. aus der Kanzlei T. in H. nicht beeindrucken und bestätigte ihre Entscheidung mit einem Widerspruchsbescheid, gegen den MLP dann vor dem Sozialgericht Mannheim Klage einreichte.
Das Sozialgericht lud die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) bei, die dann im Rechtsstreit den Bescheid der bei MLP vorgenommen Betriebsprüfung vorlegte, wonach die DRV zu dem Ergebnis kam, dass die MLP-Consultants als selbständige Handelsvertreter beschäftigt seien. Wie diese Entscheidung zustande kam, nämlich nach einem gemütlichen Beisammensein des Vorstands der DRV mit dem Vorstand von MLP, wissen wir! Ich berichtete bereits darüber in meinem Blog.
Wir erinnern uns: nach dem Betriebsprüfungsbescheid der DRV wurden etliche Anträge von Ex-MLP’lern auf Feststellung der Sozialversicherungspflicht seinerzeit von einigen gesetzlichen Krankenkassen dahingehend entschieden, dass die MLP’ler selbstständig seien.
Das gemütliche Beisammensein der Vorstände von DRV und MLP hat aber dennoch nix genutzt.
So nicht, urteilte bereits das Sozialgericht Mannheim mit Urteil vom 18.11.2011, Aktenzeichen S 4 KR 3987/09. Und so nochmals nicht, hat jetzt das Landesozialgericht Mannheim diese Entscheidung in dem 37-seitigen Urteil vom 07.05.2014 bestätigt.
Die Urteilsbegründung liest sich wie aus dem Lehrbuch und berücksichtigt zudem die Lebenswirklichkeit des MLP-Consultant-Lebens. Die Protokolle von Zeugenaussagen in einem von mir geführten Zivilverfahren gegen MLP wurden beigezogen und verwertet.
Folgerichtig kam das Landessozialgericht Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass die MLP-Consultants, so wie es auch tatsächlich ist, geknechtet werden, um Umsatz für Umsatz anzuschaffen für den „qualifizierten Finanzdienstleister für Akademiker und andere anspruchsvollen Kunden“, wie sich MLP im Begleitservice-Jargon selbst präsentiert.
Auf Juristen-Deutsch hört sich das dann vornehmer an, nämlich so:
„Die Regelungen des § 1 Ziffer 1 und 3 des Consultant-Vertrags stehen im Widerspruch zu anderen Regelungen des Vertrags, die den Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit betreffen….Erhärtet wird die persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen zu 3.) (Anmerkung von mir: gemeint ist der MLP-Consultant) im Sinne eines Angestellten auch durch das ihm in § 2 Ziffer 1 des Vertrags auferlegte Wettbewerbsverbot. Es handelt sich dabei um eine arbeitnehmertypische Regelung, die hier auch nicht nur zu einer unwesentlichen Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Beigeladenen zu 3.) führt…. Nur ergänzend ist zu der Provisionsregelung in § 6 des Consultant-Vertrags noch anzumerken, das die darlehensweise Gewährung des Provisionsvorschusses in § 6 Ziffer 5 die persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen zu 3.) von der Klägerin eher noch erhöht haben dürfte. Dass der Klägerin insoweit ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Höhe des Vorschusses zustand, ergibt sich aus der mehrfachen Kürzung des Provisionsvorschusses während des Beschäftigungszeitraums, ungeachtet dessen, dass diese Kürzungen jeweils durch „Vereinbarungen“ mit dem Beigeladenen zu 3.) erfolgten“.
Und auch für die Deutsche Rentenversicherung Bund finden sich im Urteil des Landessozialgerichts deutliche Worte:
“Auch auf die Betriebsprüfung durch die DRV Bund und den hierzu ergangenen Bescheid vom 18.10.2010 kann sich die Klägerin nicht berufen. …. Welche konkreten Vertragsverhältnisse Gegenstand der Prüfung waren, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen“.
Mit dieser Entscheidung hat das Landessozialgericht die Lebenswirklichkeit eines „Handelsvertreterdaseins“ vollumfänglich erkannt. Die Entscheidung dürfte Sprengwirkung für die gesamte Branche haben, denn das Knechten der vermeintlich freien Handelsvertreter, ohne dafür die sozialrechtliche Verantwortung zu übernehmen, dürfte den Strukki-Buden der Republik zukünftig schwerer fallen. In strafrechtlicher Hinsicht ist das Hinterziehen von Sozialversicherungsbeiträgen mindestens ab jetzt Vorsatz! MLP wird einige Euros an Sozialversicherungsbeiträgen nachzuzahlen haben.
Und die Ex-MLP’ler, deren Status seinerzeit von der Krankenversicherung als selbstständig eingeordnet wurde?
Die können jetzt bei der gesetzlichen Krankenkasse einen Antrag nach § 44 SGB X stellen. Alle anderen sollten den Sozialversicherungsstatus jetzt überprüfen lassen. Der Consultantvertrag, auf den sich das Urteil des Landessozialgerichts bezieht, hat sich nicht wesentlich verändert. Das gelebte „Handelsvertreterdasein“ des MLP-Consultant zwischenzeitlich auch nicht.
Herzlichen Dank an die hier betroffene Krankenkasse, die den Mut hatte, dieses Verfahren durchzuführen. Herzlichen Dank auch an den freundlichen Kollegen aus Konstanz, der dieses Verfahren für die Krankenkasse führte. Das Verfahren wurde verdient gewonnen!
Und der Kollege S. von der Kanzlei T. in H., der das Verfahren für MLP führte, hat diese Entscheidung natürlich auch verdient! Ihm gönne ich es ganz besonders!
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ist übrigens rechtskräftig! Die Revision wurde nicht zugelassen.