Heidrun Jakobs - 15. Juli 2018
Sie wurden massenweise verkauft, die sogenannten Riester-Sparpläne zur Altersvorsorge. Mit Zulagen vom Staat und einem Steuerabzug wurden die Bürger gelockt, wobei die Zulagen an sich kaum ausreichen, eine 5-köpfige Familie an der Pommesbude satt werden zu lassen und der Steuerabzug in der Rentenphase durch eine Steuerverpflichtung neutralisiert wird. Gesetzlich verankert im Altersvermögens-gesetz vertrauten die Deutschen auf eine sich lohnende, zusätzliche Altersvorsorge.
In Wahrheit sind die Riesterverträge aber nichts anderes als eine einzige Täuschung der Bürger zugunsten der Finanzwirtschaft. Walter Riester, der ehemalige Bundesminister hat dieses völlig unnütze Altersversorgungsmodell entwickelt. Einen Vorteil bringt es nur der Finanzwirtschaft und hat deren Geschäfte kräftig angekurbelt. Den treudoofen Riester-Sparern zieht man aber das Geld aus der Tasche, das sie besser unter ihr Kopfkissen gelegt hätten.
Also! Ich hoffe, Sie waren nicht dumm genug zum Abschluss eines Riestervertrags.
Es gibt aber genügend Sparer, die sich haben reinlegen lassen und Riester-Sparpläne abgeschlossen haben. Sie haben jetzt das Nachsehen, denn die Sparkassen-Riester-Sparpläne weisen Negativzinsen oder auch Minuszinsen genannt, auf. Das heißt, Ihre Anlagebeträge werden durch die Negativzinsen immer weniger wert, praktisch aufgefressen.
Die Riester-Sparpläne der Kreissparkasse Tübingen mit dem wohlklingenden Namen „Vorsorge Plus“ berücksichtigen während der Ansparphase auf das Sparguthaben Zinsen und Konditionen nach einer regelrecht dubiosen Verzinsungsvereinbarung. Der Sparer sollte hiernach variable (veränderliche) Grundzinsen und von der Laufzeit abhängige Bonuszinsen erhalten. Der variable Zins sollte sich nach der Veränderung des Referenzzinssatzes richten, wobei die Sparkassen in ihren Klauseln vorgaben, dass der Referenzinssatz
„der per Ende des Kalendermonats ermittelte gewichtete Wert aus dem
- gleitenden 3-Monatszins mit 30 % und dem
- gleitenden 10-Jahreszins mit 70%“ ist.
Es ist eine Zumutung für den Verbraucher aus dem Mischmasch von gleitendem 3-Monatszins und gleitendem 10-Jahreszuins den gewichteten Wert zu errechnen. Oder hätten Sie es gekonnt? Ich jedenfalls nicht. Unter verbraucherrechtlichen Gesichtspunkten eine völlig intransparente Klausel also, die der Sparkasse Tür und Tor öffnet in gewohnter Manier ihre Kunden zu übervorteilen.
Darüber hinaus gab die Sparkasse in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis vor, dass die variablen Grundzinsen Negativzinsen ausweisen, wobei unklar ist, ob sich diese Negativzinsen auf den ursprünglichen Zeitpunkt des Abschlusses der Riester-Sparpläne als Ausgangszinssatz bezogen oder die variable Ausgangs-Grundverzinsung bei den Riester-Sparplänen schon von Zeit zu Zeit angepasst wurde, was selbstverständlich unzulässig wäre.
Ein Verbraucherschutzverein sah das ähnlich und verklagte die Kreissparkasse Tübingen, die diese Riester-Sparpläne angeboten und verkauft hatte, im Verbandsverfahren vor dem Landgericht Tübingen auf Unterlassung. Und jetzt die Überraschung: Das Landgericht Tübingen hat mit Urteil vom 11.05.2018 unter Aktenzeichen 4 O 220/17 entschieden, dass die von der Sparkasse verwendete Klausel rechtmäßig ist und den Unterlassungsantrag des Verbraucherschutzvereins abgewiesen.
Warum eine solche komplizierte Klage ausgerechnet vor dem Landgericht Tübingen geführt wird und nicht vor einer erfahrenden Bankenkammer, wie etwa beim Landgericht Nürnberg, das in Verbands-Bankenklagen versiert ist, oder beim Landgericht Düsseldorf, ist mir dabei völlig unerklärlich. Schließlich werden grundsätzlich die von den Sparkassen verwendeten Klauseln bundesweit einheitlich verwendet, sodass eine Führung des Prozesses vor dem Landgericht Tübingen aus prozesstaktischen Gründen sehr ungeschickt war.
Dessen ungeachtet wird dieses Urteil in einer höheren Instanz, in letzter Instanz wohl vor dem Bankensenat des Bundesgerichtshofs, unter keinem erdenkbaren Gesichtspunkt halten.
Eine Klausel in einem Preis-und Leistungsverzeichnis, wonach sich der variable Grundzins bei einem zertifizierten Riestervertrag auf einen Negativzins bemisst, dürfte gegen §§ 307 Abs. 2 Satz 1 BGB verstoßen und unwirksam sein. Das Landgericht und im Übrigen auch der Verbraucherschutzverein übersehen hier, dass nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz als Grundlage für die Zertifizierung der Sparkassen-Riester-Sparpläne bei Auszahlungsbeginn mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge (Eigenleistung + staatliche Zulage) garantiert werden muss. Das kann aber nicht gewährleistet werden, wenn die Negativzinsen den Auszahlungs-betrag anfressen. Insofern verstößt die von der Sparkasse verwendete Klausel ganz einfach gegen den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 1 Ziffer 3 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz.
Die Kreissparkasse Tübingen, besonders schlau, hat demgegenüber vor dem Landgericht Tübingen eingewendet, dass der Vorstand beschlossen habe, dass eine negative Gesamtverzinsung minimal 0,00 % erreiche. Liebe Sparkasse: Hierauf kommt es beim Verbandsverfahren nicht an. Ausschlaggebend ist allein die von der Sparkasse verwendete Klausel, wonach im Verbandsverfahren stets die verbraucher-feindlichste Auslegung anzuwenden ist.
Das Landgericht meint weiter rechtsirrig in seinen Urteilsgründen, dass die Klausel hinreichend transparent sei. Dies gelte auch für die Definition des Referenzzinssatzes als gewichteten Wert aus dem gleitenden 3- Monatszins mit 30 % und dem gleitenden 10-Jahreszins mit 70 %. Es werde deutlich, dass Bezug genommen werde auf veröffentlichte Zinssätze der Bundesbank und im Übrigen ließen sich Erläuterungen zur Ermittlung gleitender Durchschnittzinssätze im Internet ohne Schwierigkeiten finden (z.B. unter https://www.bvr.de/p.nsf/0/A7BD2C9F7C01600FC1257
D34003F4AE7/%24FILE/Erlauterungen_zur_Ermittlung_geltender
_Durchnittszinssatze.pdf, so das Landgericht. (Das ist jedenfalls der Link, der in den Urteilsgründen angegeben ist. Tatsächlich lässt sich die Seite jedoch nicht aufrufen. Unter dem Link https://www.bvr.de/Service/Referenzzinssaetze ist vermutlich die Seite zu finden, die das Landgericht Tübingen meint).
Das Landgericht Tübingen übernimmt hier ungeprüft die Argumentation der Sparkasse, ohne sich auch nur einmal ansatzweise Gedanken zu machen, mit welchen Schwierigkeiten das Auffinden der vorgenannten Seite für einen typischen Bankkunden, der nicht über diese Internetadresse verfügt, verbunden ist, zumal es sich um eine Verbands-Homepage des Bundesverband der Raiffeisen- und Volksbanken handelt, die in keinem direkten Zusammenhang mit der beklagten Kreissparkasse Tübingen steht. Insofern sind die Entscheidungsgründe schon fast ein Justizskandal, wobei zu berücksichtigen ist, dass es der klagende Verbraucherschutz-verein dem Gericht auch äußerst leicht mache.
Tatsächlich bleibt damit im Falle der Sparkasse jedenfalls offen, wonach sich der Referenzzinssatz bemisst. Spätestens seit den von mir erstrittenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2008, Aktenzeichen XI ZR 55/08 und XI ZR 78/08 ein absolutes rechtliches No-Go!
Riester-Sparplan-Kunden der Sparkassen sollten daher nicht locker lassen. Ein Weg durch die Instanzen wird sich mit Sicherheit lohnen. Es scheint mir daher höchstwarhscheinlich, dass spätestens der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Landgerichts Tübingen aufheben wird.