Heidrun Jakobs - 13. Oktober 2010
Was sich das Landgericht Mannheim im Kachelmann-Prozess nacheinander leistete, wird sicherlich den Bundesgerichtshof veranlassen, Richter Seidling und seiner Crew eine juristische Watschen nacheinander auszuteilen. Ich meine, das reicht noch nicht. Es ist an der Zeit, Disziplinarverfahren einzuleiten, denn diese Posse aus Mannheim kann sich ein Rechtsstaat nun wirklich nicht mehr leisten.
Jetzt soll nach Pressemeldungen Richter Seidling doch tatsächlich vergessen haben, das mutmaßliche Opfer über ihr Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren. Wir können jetzt mutmaßen, was hier dahinter steckt. Entweder wurde die Belehrung einfach so vergessen, was ich nicht glaube, denn dafür ist Richter Seidling schon lange genug im Dienst oder man wollte verhindern, dass das mutmaßliche Opfer wegen einer möglichen Falschaussage belangt werden kann, wenn die Wahrheit doch noch ans Licht kommen sollte. Ich halte letzteres eher für möglich.
Mehr Gründe für eine Befangenheit braucht Kachelmann nun wirklich nicht mehr. Von der Ablehnung des Kachelmann-Gutachters will ich hier noch nicht einmal reden.
Das Landgericht Mannheim hat die Entscheidung über den Befangenheitsantrag zurück gestellt. Über den Befangenheitsantrag sollen nun – unabhängig von der für Montag geplanten Aussage des mutmaßlichen Opfers – andere Richter zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, wie bild.de meldete.
Richter Seidling ist sich also absolut sicher, dass er am Montag weiter machen kann. Es drängt sich auf, dass mit den „anderen Richtern“ schon abgesprochen ist, dass der Befangenheitsantrag, wenn denn einer kommen sollte, zurück gewiesen wird. Denn wie hätte Richter Seidling sich sonst so sicher sein können, dass die Sitzung am Montag wie geplant fortgesetzt werden kann.
Mehr Absolutismus geht nicht mehr in einem deutschen Gerichtssaal. Ich hätte den Befangenheitsantrag gleich gegen das ganze Landgericht Mannheim gestellt, denn hier scheint niemand mehr unbefangen zu sein.
Dazu passt es nur zu gut, dass Richter Seidling die Öffentlichkeit ausschließt, wie er gerade gelaunt ist, denn im stillen Kämmerlein kann unter dem Deckmantel von Persönlichkeitsrechten heimlich gewerkelt werden. Gab es da nicht einmal eine gesetzliche Vorschrift, dass die Verhandlung öffentlich zu sein hat. Nö, nicht bei Richter Seidling!
Wenn Richter Seidling und seine Crew sich da mal nicht verschätzen. Die Stimmung wird kippen, wenn das mutmaßliche Opfer unter dem Druck einer falschen Beschuldigung zusammen bricht. Anhaltspunkte hierfür sind jetzt schon da!
Was dann für Richter Seidling und seine Crew bleibt: Ich hoffe, eine Versetzung in die Grundbuchabteilung nach Novosibirsk und das wäre, nach Meinung vieler Prozessbeobachter, mit denen ich gesprochen habe und darunter sind auch einige Richter, sehr wohlwollend gemeint.
Yes, we do!
Kommentare
Kommentar von Axel John - Permanenter Link
Das der Richter befangen-, sein Urteil wahrscheinlich längst fertig ist und dass das Ganze mehr und mehr zu einem Schauprozess (Vergleiche spare ich mir) ausartet, ist offensichtlich.
Ein Grund für die "vergessene" Belehrung könnte durchaus der Gedanke an § 164 sein.
Damit wäre nicht nur die Zeugin erledigt, sondern auch der ganze Prozess.
Da der Richter das weiß, mag er durchaus seine Gründe haben, auf die Belehrung zu verzichten.
Kommentar von Rita-Eva Neeser - Permanenter Link
Was dann für Richter Seidling und seine Crew bleibt: Ich hoffe, eine Versetzung in die Grundbuchabteilung nach Novosibirsk und das wäre, nach Meinung vieler Prozessbeobachter, mit denen ich gesprochen habe und darunter sind auch einige Richter, sehr wohlwollend gemeint.
Ich würde vorschlagen : Friedhofsverwaltung- Leichen im Keller zählen
Kommentar von Paul - Permanenter Link
Sorry, aber Sie meinten sicherlich im 2. Absatz, dass man verhindern wollte, dass das m.O. wegen möglicher Falschaussage belangt werden könnte?
Ansonsten ist es mir egal was mit derlei Beamten passiert. Jedenfalls so lange sie nicht noch die Treppe rauf fallen und noch mehr Steuergelder vergeuden.
Kommentar von admin - Permanenter Link
@Paul
Vielen Dank für den Hinweis! Ich habe den entsprechenden Passus korrgiert!
Mir ist es nicht egal, was mit solchen Menschen passiert, jedenfalls nicht solange andere dabei auf der Strecke bleiben.
Kommentar von BV - Permanenter Link
...oder man wollte verhindern, dass das mutmaßliche Opfer wegen einer möglichen Falschaussage belangt werden kann, wenn die Wahrheit doch noch ans Licht kommen sollte.
Wie das? Man macht sich mit einer falschen Aussage auch dann strafbar und kann auch belangt werden, wenn man nicht zuvor nach § 55 StPO belehrt wurde. Die allgemeine (zwingende) Belehrung nach § 57 StPO wird das Gericht doch wohl vorgenommen haben, zumal die Presse nichts anderes behauptet. Das diskutierte Auskunftsverweigerungsrecht (nicht Zeugnisverweigerungsrecht) zielt doch in eine ganz andere Richtung.
Kommentar von Ralph - Permanenter Link
Zu der Frage, warum am Montag auf jeden Fall weiterverhandelt wird, genügt ein Blick auf § 29 Abs. 2 S. 1 StPO. Nicht ganz so polemisch bitte!
Kommentar von Anke S. - Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Ralph!
Ich sehe nicht, dass die Entscheidung über die Ablehnung eine Unterbrechung der HV erfordert. Was sollte denn hier unaufschiebbar gewesen sein?
MfG
Kommentar von Ulrich Dost - Permanenter Link
Nicht den Seidling nach Novosibirsk. Das sind nette Menschen dort.
Aber mal im Ernst: dieser hier beklagte Absolutismus wird sicher zu Recht beklagt. Nur: er ist eben kein "lex speziais" im Kachelmann-Prozess. Zu oft habe ich ähnliches in verschieden Prozessen an verschieden Gerichten schon erlebt. Es tritt hier nur wegen der Medienhysterie um den Prozess öffentlich sichtbar in Erscheinung.
Kommentar von admin - Permanenter Link
@ Herr Kollege Dost,
da stimme ich Ihnen voll zu! Deswegen ist es an uns Anwälten öffentliche Verhandlungen noch öffentlicher zu machen.
Aber es gibt auch noch andere Richter, nämlich solche, die ihre Arbeit ernst nehmen und die Sitzungen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben leiten. Das sollten wir nicht vergessen. Richter Seidlings's sind Gott sei Dank in der Minderzahl. Aber das ist schon zuviel!
Kommentar von S.W. - Permanenter Link
@BV
Sorry, wir sind hier alle der Meinung, mit der Strafbarkeit wird es schwierig, wenn die Belehrung nach § 55 versäumt wurde. Das Beweisverwertungsverbot gilt doch in 1. Linie für die Belastungszeugin, nicht wahr?